Körperkriege

Theatrale Tanzperformance, Arkadas-Theater, Köln, 2007

Kritik an der Konsumindustrie ist out oder allenfalls noch etwas für spätlinke Nörgler oder jungvergreiste Attacisten. Gerade wurde zudem behauptet, dass noch jede Protestform den Kapitalismus letztlich nur weiter gebracht habe. Ein neuer Abgott ist also im Entstehen begriffen, der sogar zur Befriedung der Welt taugt: Wer sich dem Konsum hingibt, verkünden seine Apologeten, entsagt der Aggression und führt keinen Krieg. Unserer Gesellschaft sind die Zukunftsentwürfe ausgegangen, so dass wir in der „besten aller Welten“ zu leben scheinen. Doch das utopische Denken hat sich auf den Körper verlagert. Der Aufschwung der Genetik zeigt: Der Körper ist zum gestaltbaren Produkt geworden, das Marktmechanismen unterliegt. In Werbung, TV und Filmen wird er uns immer aufs neue als Inkarnat der Makellosigkeit, des Erfolgs, der Sexyness vorgeführt – und damit zugleich ein Gefühl ständigen Ungenügens geweckt. Kapitalismus und Depression gehören ursächlich zusammen. Der Körper ist zum Kampfplatz geworden. Wir bringen ihn durch medikamentöse Auf- und medizinische Zurüstung, oder, harmloser, durch Kosmetik, Sport oder sogar magersüchtiges Hungern in marktgerechte Form.

Gestylte Körper verlangen aber auch eine gestylte Sexualität. Sie wird mit Viagra oder Libidoboostern aufs berechenbare Kurzzeiterleben getrimmt. Jedes sexuelle Bedürfnis ist erfüllbar und kann – ganz marktgerecht – sofort gestillt werden. Vor allem in den Fluchtformen der Pornographie, die mit idealen Körpern, virtueller Sexualität, potentieller Dauerlust immer aufs neue Narzissmus und Frustration beim User anheizen. Das Problem ist nur, wie der Philosoph Günther Anders in seiner „Antiquiertheit des Menschen“ vor Jahren festgestellt hat: Dem Menschen gehen die Bedürfnisse aus.

Der künstlerische Austausch mit blinden Performern, der mit der Produktion „Peccatum Mundi“ begonnen hat, findet bei „Körperkriege“ seine Fortsetzung, um eine größere Intensität der Körpersprachen zu erreichen und die Reibungsfläche des Stücks auszuweiten. Die blinden Tänzer erfahren durch die von Gregor Weber eingesetzte Körpertechnik eine andere, neue Wahrnehmung ihrer Körper, auch in der Interaktion mit dem Aussen.